Ein Buch zum Frühstück: „Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte“ von Rachel Khong

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Foto: privat

Ich finde, es gibt keine bessere Art, in den Tag zu starten, als mit einem guten Frühstück und einem noch besseren Buch. Weil ich ein großer Fan vom Lesen am Frühstückstisch bin, war ich schon lange auf der Suche nach einem Buch, das ich dir für genau diese Situation empfehlen kann – und jetzt habe ich es gefunden! Mit „Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte“ hat die amerikanische Autorin Rachel Khong ein Buch geschrieben, das durch seine besondere Form gut in kleinen Häppchen gelesen werden kann – du kannst es also nach dem Frühstück bis zum nächsten Morgen liegen lassen, wenn du möchtest – und das dich mit seinen feinen, oft lustigen Beobachtungen mit Neugierde und Schwung in den Tag ziehen lässt.

Worum es geht:

Die 30-jährige Ruth wurde von ihrem Verlobten verlassen und obwohl sie ihren Job im Krankenhaus mag, hängt sie ziemlich in der Luft. Als sie über Weihnachten ihre Eltern besucht und ihre Mutter sie bittet, doch für ein Jahr zu bleiben, stimmt sie zu – denn ihr Vater, ein Professor für Geschichte, leidet immer merklicher an Alzheimer. So kündigt Ruth ihren Job und begleitet ihren Vater in seinem neuen Alltag.

Unterrichten darf er nicht mehr, worunter er so sehr leidet, dass Ruth gemeinsam mit ein paar treuen Studierenden ein inoffizielles Seminar für ihn organisiert – was der Dekan allerdings nicht mitbekommen darf. Ruth bekommt ungewollt Einblicke in die Schwierigkeiten der Ehe ihrer Eltern und auch ihr Bruder, der vom Vater enttäuscht ist, muss sich angesichts der Krankheit wieder mit ihm auseinandersetzen.

In „Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte“ erzählt Ruth in kurzen Absätzen von diesem besonderen Jahr. Sie schildert zufällige Begegnungen, die alltäglichen Momente mit ihrem Vater und welche Gedanken und Erinnerungen diese Situationen bei ihr auslösen. Dabei sagt sie nie Offensichtliches, sondern nur so viel, dass man sie als Lesende genau versteht, aber oft auch noch mehr wissen will – weshalb sich das Buch wie von selbst liest.

Das Besondere an diesem Buch:

Natürlich geht es Ruths Vater im Laufe des Romans nicht besser, sondern schlechter. Das ist einem als Lesendem ziemlich schnell klar und es gibt auch immer wieder traurige Momente. Aber im Grunde geht es darum, wie Ruth mit sich, der Krankheit ihres Vaters und ihrer Familie ins Reine kommt – auf eine sehr unaufgeregte Art, bei der man gleichzeitig viel lachen darf. Diese Mischung, die vor allem von Rachel Khongs glasklarem Blick für menschliche Unperfektheit – und allem, was daran schön, lustig und herzzereißend ist – herrührt, fand ich großartig.

Das formale Konzept des Romans wird erst an späterer Stelle klar und stellt sich als Metapher für die sich verändernde Beziehung zwischen Ruth und ihrem Vater heraus: Ruths Beobachtungen werden nach und nach zu ihrer Aufzeichnung der gemeinsamen Momente, die sie für ihren Vater festhält, weil er sich später nicht an sie erinnern wird – eine berührende Umkehrung ihrer Beziehung. Denn als Ruth noch ein Kind war, hat ihr Vater die großen und kleinen Momente mit ihr in einem Notizbuch festgehalten, das Ruth im Roman zu lesen bekommt.

Ich muss sagen, wenn ein Buch eine so durchdachte Form hat, begeistert mich das ungemein. Deshalb muss ich dir an dieser Stelle einfach nochmal „Mister Weniger“ von Andrew Sean Greer ans Herz legen, denn das ist ein weiterer Roman, der in dem Moment noch viel besser wird als er sowieso schon ist, in dem du begreifst, wie die Erzählstruktur angelegt ist. Hier erzähle ich mehr vom Buch. Jetzt aber zurück zu „Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte“!

Ein guter Moment für dieses Buch:

„Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte“ ist die ideale Frühstückslektüre: Du musst dafür noch nicht hellwach sein und intellektuelle Höhen erreicht haben, sondern du kannst mit einem kleinen Absatz ganz in Ruhe ins Lesen hineinkommen. Die scharfsichtigen, klaren Passagen schaffen eine ruhige Atempause bevor der Tag richtig losgeht, geben dir aber gleichzeitig ein Gefühl von Lebendigkeit, denn Rachel Khongs Blick für Kleinigkeiten wirst du mit in den Tag nehmen.

Ansonsten empfehle ich das Buch, wenn du eine Reiselektüre suchst, wenn du mit einer Situation oder einer Beziehung in deinem Leben Frieden schließen willst oder wenn du gerade ein bisschen in der Luft hängst – wie Ruth – und nicht ganz weißt, welche Entscheidungen du treffen sollst. Ich bin sicher, dieser Roman wird dir zeigen, dass es uns allen oft so geht, und dir gleichzeitig ein Gefühl von Ruhe und Energie geben.

Cover von Das Jahr in dem Dad ein Steak bügelte von Rachel Khong
Cover: kiwi-verlag.de

Wann ich zu etwas anderem greifen würde:

Ein Buch, in dem Krankheit ein zentrales Thema ist, könnte ich wohl nicht zu jeder Zeit lesen und vielleicht geht es dir ähnlich. Wenn du das also gerade nicht möchtest oder einfach ein Buch suchst, das nicht immer mal wieder traurig ist, heb dir „Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte“ lieber noch ein bisschen auf. Als aufmunternde Lektüre empfehle ich dir stattdessen „Ein Gentleman in Moskau“, „Der Pfau“ oder „Die souveräne Leserin“.

Der Moment danach:

Bist du auf den Geschmack gekommen, was das Lesen beim Frühstück angeht? Dann kannst du in der Mittagspause gleich mit „Mister Weniger“ weitermachen – warum dieses Buch dafür perfekt ist, erzähle ich hier. Und wenn du eine Lektüre für die Abendstunden suchst, ist meine Empfehlung Eleanor Cattons Roman „Die Gestirne“.

Es kann aber auch gut sein, dass du nach „Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte“ richtig Lust bekommen hast, tiefer in eine Familiendynamik einzutauchen. In dem Fall könnte „Der größte Spaß, den wir je hatten“ etwas für dich sein.

Daten zum Buch:

Titel: Das Jahr, in dem Dad ein Steak bügelte
Originaltitel: Goodbye, Vitamin
Autorin: Rachel Khong
Übersetzer: Tobias Schnettler
Verlag: Kiepenheuer&Witsch
Seiten: 256
Preis: 19€
ISBN: 978-3-462-04972-5

Eine Leseprobe und mehr Infos zum Buch findest du hier auf der Website von Kiepenheuer&Witsch.

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