Atmosphärische Spätsommerabende mit „Die Gestirne“ von Eleanor Catton

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Foto: Wendelin Mayer

Die Abende zwischen Spätsommer und Frühherbst strahlen für mich eine besondere Stimmung aus. Noch ist es mild und lange hell, aber die Luft fühlt sich nicht mehr so aufgeladen an wie in der Sommerhitze. Perfekt für stimmungsvolle Abendstunden auf der Terrasse, am offenen Fenster oder auf einer Parkbank ist ein atmosphärisches Buch, das genau in diese Ruhe passt. Meine Empfehlung dafür ist „Die Gestirne“ von Eleanor Catton.

Worum es geht:

Mysteriöse Vorfälle in Hokitika, einem Goldgräberdorf im Neuseeland des 19. Jahrhunderts… Es geht um Gold, einen verschwundenen Mann und undurchschaubare Abmachungen. Um all die Geschehnisse und Zusammenhänge aufzudröseln, folgt der Roman einer ganzen Reihe von schillernden, faszinierenden Figuren, die ich sehr lebendig und gut gezeichnet fand.

Von der Handlung möchte ich gar nicht so viel verraten, denn die vielen Mosaiksteine der Geschichte erstmal zu entdecken und dann allmählich zu verknüpfen, ist genau das, was beim Lesen dieses Buchs so spannend ist. „Die Gestirne“ ist ein Ausflug in die Vergangenheit und ein Gesellschaftspanorama des damaligen Hokitika. Gleichzeitig bringt der Roman reichlich Krimi-Spannung mit.

Das Besondere an diesem Buch:

Das gesamte Konzept des Romans ist etwas ganz Besonderes. Die Autorin hat nämlich jahrelang für das Buch recherchiert und sich in die Stellungen der Sterne der Jahre 1865 und 1866 eingelesen. Die astrologischen Bedingungen dieser Zeit schaffen den Rahmen des Romans und erklären auch den Titel: Die Kapitel, die Handlung und die psychologischen Entwicklungen der Figuren sind auf die Konstellationen der Sterne und Planeten ausgerichtet, die zu der Zeit tatsächlich am Himmel standen.

Um das Buch genießen zu können, muss man sich aber nicht unbedingt mit dem astrologischen Rahmen beschäftigen. Man kann, nachdem man ein Kapitel gelesen hat, zur vorherigen Sternenkonstellation zurückblättern und Zusammenhänge erkennen. Genauso werfen die zwölf Tierkreiszeichen ein interessantes Licht auf je eine der Figuren. Wenn einem das beim Lesen aber zu kompliziert ist, muss man sich nicht darauf einlassen.

Noch auf eine weitere Art ist der Roman fest im 19. Jahrhundert angesiedelt, und zwar durch seine Erzählweise. Als Leserin habe ich mich von der autoritären, allwissenden Erzählerstimme und ihrer altmodischen Sprache ganz sorgfältig durch das Buch geführt gefühlt, ganz so, als würde ich ein Buch lesen, das im 19. Jahrhundert geschrieben wurde. „Die Gestirne“ ist also ein historischer Roman, der sein Genre auf vielen Ebenen überschreitet.

Ein guter Moment für dieses Buch:

Wann immer du das richtige Buch einfach nicht zu finden scheinst – dieses übt einen solchen Sog aus, dass es dich immer in den Bann ziehen wird, und es ist so gut geschrieben, dass es eine sprachlich sehr befriedigende Lektüre ist. Das Buch ist mit seinen auf Deutsch über 1000 (verfliegenden!) Seiten ein richtiger Schmöker, sodass es sich besonders gut dann liest, wenn man Zeit hat, so richtig abzutauchen – ob im Urlaub, an einem freien Abend mit einer großen Kanne Tee oder zum Abschalten, wenn man etwas hinter sich gebracht hat.

Da das Buch in jeder Hinsicht groß angelegt ist – mit seinen vielen Figuren, dem großen Umfang und der Ausrichtung auf die Sternbilder – ist es auch eine Lektüre, die einen aus dem Alltag heraushebt, wie ich finde. Auch deshalb passt dieses Buch meiner Meinung nach so gut zu einem langen, friedlichen Spätsommerabend, an dem man alle Voraussetzungen für diesen Weitblick zu haben scheint.

Cover zu Die Gestirne von Eleanor Catton
Cover: randomhouse.de

Wer bei diesem Buch in jeder Stimmung richtig ist:

  • Alle, die bei ihrer Lektüre Wert auf ein packendes Setting legen – die neuseeländische Küste und das Leben in Hokitika werden hier richtig lebendig.
  • Alle, die Romane aus dem 19. Jahrhundert mögen! Durch Eleanor Cattons Schreibstil in diesem Buch fühlt sich die Lektüre wirklich an, als käme sie aus der damaligen Zeit.
  • Alle, die die neue „Emma“-Verfilmung gesehen haben und ähnlich begeistert waren wie ich. Eleanor Catton hat das Drehbuch dazu geschrieben und ich finde, ihr einfühlsamer, aber auch humorvoller Zugang zu Charakteren ist dort genauso spürbar wie in „Die Gestirne“.

Wann ich zu etwas anderem greifen würde:

Wenn du im Stress bist, keine Ruhe hast oder gerade sehr präsent sein musst. Dieses Buch würde ich nicht zehn-Seiten-weise abends im Bett lesen, wenn dir sowieso schon die Augen zufallen: Zum einen gibt es sehr viele Figuren, die man bis zum nächsten Kapitel nicht wieder vergessen haben will, und zum anderen wäre es schade um das intensive Erlebnis dieses Romans – denn „Die Gestirne“ ist wirklich ein Buch und eine Welt, die man erleben und nicht nur lesen kann.

Wenn du also gerade zu sehr eingespannt bist, um für dieses Leseerlebnis frei zu sein, könnte „Mister Weniger“ eine gute Alternative sein. Dieses lustige und ergreifende Buch lässt sich nämlich bestens kapitelweise lesen.

Daten zum Buch:

Titel: Die Gestirne
Originaltitel: The Luminaries
Autorin: Eleanor Catton
Übersetzerin: Melanie Walz
Verlag: btb
Seiten: 1040
Preis: 14,00€
ISBN: 978-3-442-71514-5

Hier findest du eine Leseprobe und mehr Infos zum Buch auf der Verlagswebsite von Randomhouse.

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