Für deinen Nachmittag am See: „Im Wasser sind wir schwerelos“ von Tomasz Jedrowski

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Foto: pixaby

Für die warmen, langen Sommertage, die jetzt kommen, habe ich genau den richtigen Buchtipp für dich: „Im Wasser sind wir schwerelos“ von Tomasz Jedrowski. Gleich werde ich dir erzählen, wieso dieser Roman nicht nur perfekt ist, um ihn an einem langen Nachmittag am See zu lesen, sondern auch ganz anders ist als die typischen „Beach Reads“, die ich vielleicht sonst an dieser Stelle empfehlen würde und die genauso ihre Berechtigung haben. „Im Wasser sind wir schwerelos“ ist eine bewegende und politische Liebesgeschichte. Ein wachrüttelndes, ergreifendes, aber auch poetisches Buch, das mit einem einzigartigen Sommer beginnt.

Worum es geht:

Polen, 1980: Der junge Student Ludwik lernt bei einem Ernteeinsatz, den die kommunistische Regierung vorschreibt, seine große Liebe kennen – Janusz. Eine Liebe zwischen zwei Männern ist zu dieser Zeit und in diesem System allerdings strafbar. Obwohl zwischen den beiden nicht viele Worte fallen, spüren sie beide die Anziehung und verbringen einen unbeschwerten, glücklichen Sommer in der Abgeschiedenheit an einem See.

Nach dieser wundervollen Zeit geht es für sie beide zurück in die Stadt und in den Alltag. Janusz fängt an, für das „Zentralamt für Pressekontrolle“ zu arbeiten – „die Zensurbehörde“, wie Ludwik korrigiert. Für Ludwik ist eine solche Mitarbeit an dem System, das ihn und andere auf so viele Arten einschränkt, unvorstellbar. Aber auch er muss für sich herausfinden, wie er sich mit den gesellschaftlichen Zwängen einrichtet: Er möchte in Literaturwissenschaft promovieren, weiß aber, dass ihm das Thema vermutlich von der Politik vorgegeben wird.

Ludwiks und Janusz‘ verschiedene Ansätze und Vorstellungen, wie sie mit dem System und ihrer Beziehung umgehen wollen, stehen mehr und mehr zwischen den beiden: Sie können sich nur heimlich sehen, und während Ludwik sich wünscht, gemeinsam in den Westen zu gehen, kann Janusz sich nicht vorstellen, sein Land zu verlassen.

Das Besondere an diesem Buch:

Was „Im Wasser sind wir schwerelos“ für mich sehr besonders gemacht hat, sind die lyrischen Qualitäten des Romans: Ludwik erzählt melancholisch, sehnsüchtig und immer wieder poetisch von seiner Liebe zu Janusz. Dass mich der Stil manchmal an Lyrik erinnert hat, hängt auch damit zusammen, dass Ludwik sich in seiner Erzählung direkt an Janusz wendet und ihn mit „du“ anspricht. Das verleiht dem Roman eine intime, liebevolle Stimme. Gleichzeitig sind die Beschreibungen von Natur und Empfindungen so schön, dass die Sprache auf mich einen richtigen Sog ausgeübt hat.

Ich habe bei der Lektüre viel gelernt über einen Teil der Geschichte, mit dem ich bisher nicht sehr vertraut war. Die Schwierigkeit, mit einem System umzugehen, das einem kaum Freiheiten lässt – wie Ludwik es sieht – oder einem durchaus Freiheiten gibt, allerdings nur, wenn man sich auf bestimmte Art darin einrichtet – wie Janusz es zumindest immer wieder wahrnimmt oder wahrnehmen will – hat mich sehr beschäftigt und zum Nachdenken gebracht.

Cover Im Wasser sind wir schwerelos
Cover: hoffmann-und-campe.de

Die Ungerechtigkeit und der Schmerz, dass die Liebe zwischen Janusz und Ludwik nicht sein darf, hat mich aber auch traurig und wütend gemacht. Es ist also wirklich ein Buch, das dich auf vielen Ebenen erreichen und ansprechen wird.

Ein guter Moment für dieses Buch:

Der Sommer, den Ludwik und Janusz gemeinsam verbringen, ist unglaublich intensiv, auch als Leseerfahrung. Deshalb und auch, weil das Thema Wasser und Schwimmen eine große Rolle spielt, gibt es keinen perfekteren Ort, den Roman zu lesen, als an einem heißen Sommertag am See.

Wann immer dir nach einer bewegenden, besonderen Liebesgeschichte zumute ist, ist „Im Wasser sind wir schwerelos“ eine sehr gute Wahl. Gleichzeitig ist es eine gute Idee, wenn du ein Buch suchst, in dem du vielleicht neue Einblicke bekommst und auch politisch zum Nachdenken gebracht wirst.

Wer bei diesem Buch in jeder Stimmung richtig ist:

  • Alle, die genau wie ich überzeugt sind, dass Literatur nicht nur persönlich bereichernd, sondern auch gesellschaftlich ganz wichtig ist. Dieser Roman und die Fragen, die er stellt, ist nicht nur selbst ein Beweis dafür, sondern Ludwiks Entwicklung ist auch ganz stark geprägt von einem intensiven Lektüreerlebnis – er entdeckt nämlich „Giovannis Raum“ von James Baldwin. So ist dieser Roman auch eine kraftvolle Liebeserklärung an die Literatur.
  • Alle, die gerne ehrliche und unbeschönigte Liebesgeschichten lesen.

Wann ich zu etwas anderem greifen würde:

Wenn du gerade kein Buch lesen möchtest, das dich auch immer mal wieder traurig machen wird, heb dir „Im Wasser sind wir schwerelos“ lieber noch auf. Eine leichtere Liebesgeschichte findest du zum Beispiel bei „Love to Share“, das ist eine schöne, klassische aber nicht klischeebehaftete RomCom, oder bei „Mister Weniger“, wenn du eine herzerwärmende, kluge, besondere und turbulente Liebesgeschichte lesen möchtest.

Daten zum Buch:

Titel: Im Wasser sind wir schwerelos
Originaltitel: Swimming in the Dark
Autor: Tomasz Jedrowski
Übersetzerin: Brigitte Jakobeit
Verlag: Hoffmann und Campe
Seiten: 224
Preis: 23,00€
ISBN: 9783455011173

Hier findest du das Buch auf der Verlagswebsite von Hoffmann und Campe.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. AM

    Also diesen Tip kann ich nur unterstützen, selten so ein gefühlvolles und feines Buch gelesen! 🙂

    1. admin

      Das freut mich sehr zu hören! Ich finde auch, es ist wirklich ein ganz besonderes Buch!

      Liebe Grüße
      Felicitas

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